Lippeaue

Die „bananenförmige“ Nord-Süd-Ausdehnung des Kreisgebietes Unna beträgt ca. 39 km. Im Süden stoßen zwei naturräumliche Großeinheiten Nordrhein-Westfalens aufeinander, die sich vor allem aufgrund ihrer Landschaftsbeschaffenheit, der geologischen Gegebenheiten, der Boden- und Klimaverhältnisse, des Wasserhaushaltes und der Naturausstattung mehr oder weniger deutlich voneinander abgrenzen lassen. Trennlinie zwischen beiden Naturräumen – und zugleich markante Wasserscheide des Kreisgebietes – ist der Haarstrang mit dem Ardeygebirge. Nördlich dieser Linie erstreckt sich die Westfälische Bucht mit dem Kernmünsterland und der Hellwegbörde, südlich davon liegt das Süderbergland mit dem Unteren Sauerland. Das Landschaftsbild der beiden Naturräume prägen und beleben im Kreis Unna zwei große Flussauen, im Norden die der Lippe und im Süden die der Ruhr.

Zur ökologischen Bedeutung der Lippeaue im Kreis Unna

Die Lippe entspringt in der Senne bei Bad Lippspringe am Fuß des Teutoburger Waldes und mündet bei Wesel in den Rhein. Von ihrer Quelle bis zur Mündung legt sie 230 km zurück und überwindet dabei einen Höhenunterschied von nur 123 m. Im Kreis Unna weist sie eine Lauflänge von 38,5 km auf. Ihr Wasser bezieht sie aus einem 4.890 km² großen Einzugsgebiet. Die Lippe ist ein typischer, sandiger Tieflandfluss. Das Flussbett der heutigen Lippe ist während der letzten Eiszeit entstanden.

Zweifelsohne kommt der Lippeaue im Kreis Unna trotz oder gerade wegen ihrer Entwicklungsgeschichte größte ökologische Bedeutung zu.

Die Lippeaue, wie wir sie kennen, hat nichts mehr mit der ursprünglichen Naturlandschaft gemein. Der Mensch hat sie in einem Jahrhunderte langen und langsamen Prozess zur Erfüllung seiner unterschiedlichen und wechselnden Nutzungsinteressen zu einer Kulturlandschaft gestaltet.

Gerade wegen dieser Umgestaltungsprozesse konnte sich bis ins 19. Jahrhundert in der Lippeaue eine noch nie da gewesene Standort- und Artenvielfalt an Fauna und Flora entwickeln. Dies änderte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bergbau, fortschreitende Industrialisierung, Intensivierung der Landwirtschaft, Schiffbarmachung der Lippe (Flussbegradigung, Schleusenanlagen, Uferverbau) und die Nutzung der Lippe als Abwasserfluss trugen zur Zerstörung von Lebensräumen vieler Tier- und Pflanzenarten bei. Seit der Vor- und Nachkriegszeit, bis in die 1980er Jahre hinein, veränderte sich das Landschaftsbild der Lippeaue zunehmend zu einer verarmten, intensiv genutzten Kulturlandschaft.

Ein Umdenkungsprozess in der Gesellschaft führte in den 1980er Jahren zu einem behutsameren Umgang mit Landschaft und Natur. Im Zuge der Landschaftsplanung fanden 12 (28,6 %) der damals kreisweit 42 NSG mit zusammen 305 ha (20,5 %) ihren Platz in der Lippeaue. Abwasserklärung, Renaturierungs- und andere Naturschutzmaßnahmen bewirkten eine wesentliche Verbesserung der Wasserqualität bzw. des Zustandes der Lebensräume von Tieren und Pflanzen.

Heute ist die Lippeaue als Fauna-Flora-Habitat-Gebiet fast vollständig Bestandteil des 1992 auf europäischer Ebene beschlossenen Biotopverbundes NATURA 2000, was ihre herausragende Bedeutung für den Natur- und Landschaftsschutz unterstreicht. Die im Rahmen der Umsetzung der FFH-Richtlinie im Dezember 2007 in den Landschaftsplänen der Lippeaue festgesetzte Ausweitung der unter Naturschutz gestellten Flächen wurde durch die Ausweisung von fünf großflächigen, zusammenhängenden Naturschutzgebieten (NSG) realisiert, wobei die alten, isoliert liegenden NSG einbezogen wurden.

Somit befinden sich fünf der heute 39 NSG des Kreises Unna mit zusammen 1.033 ha (34,9 % der Gesamtfläche aller NSG) in der Lippeaue:

Lippeaue von Stockum bis Werne (188 ha) mit den Alt-NSG “Silberweiden-Auwald in der Mittlake”, “Lippeaue mit drei Altwasern westich der A 1” und “Lippeschleife südlich des Gersteinwerkes”,
Lippeaue von Werne bis Heil (415 ha), mit den Alt-NSG “Langerner Hufeisen-Lippeweiden”, “Disselkamp”, “Waterhues” und “Unterlauf des Beverbaches im Lippetal nördlich Schulze-Heil”,
Lippeaue von Wethmar bis Lünen (112 ha) mit den Alt-NSG „In den Kämpen“ und „Im Mersche“,
Lippeaue von Lünen bis Schleuse Horst (216 ha), hierin sind die Alt-NSG „Stocke“, „Zwiebelfeld“ und „Schleuse Horst“ aufgegangen,
Lippeaue Selm (102 ha), Neuausweisung auf gesamter Fläche bis an die westliche Kreisgrenze.

Im Rahmen der Naturschutzgebietsbetreuung werden laufend Naturschutzmaßnahmen zur Erhaltung, zum Schutz und zur Optimierung der Gebiete durchgeführt. Größere zusammenhängende Auenbereiche können vor allem im Zuge von Flächenankäufen durch die öffentliche Hand naturschutzgerecht entwickelt werden.

Ein großer und wichtiger Baustein des Naturschutzes in der Lippeaue im Kreis Unna ist auch das im Rahmen des Gewässerauenschutzprogrammes NRW (MURL 1994, MUNLV 2002) vom Lippeverband erarbeitete Lippeauenprogramm, das bereits 1995 die Lippeaue als ökologisch wichtige Ost-West-Achse in einem überregionalen Biotopverbund würdigt (Lippeverband 1996). Bislang konnten umfangreichere Uferentfesselungen realisiert werden. Die große Hoffnung liegt jedoch nach wie vor auf der weiteren Umsetzung des Lippeauenprogramms (Junghardt & Ruppert 2006, siehe auch den Beitrag von Stemplewski et al. zum ökologischen Umbau von Seseke und Lippe in diesem Naturreport). Die dort vorgesehene großräumige Renaturierung der Lippe (u.a. Sohlanhebung) zwischen dem Streichwehr bei Werne und dem Wehr Lünen-Beckinghausen wird deutlich mehr zu den gewünschten Redynamisierungsprozessen beitragen können.

Nachfolgend eine Auflistung der 5 Natura 2000/FFH-Gebiete  inklusive Verlinkung zu den offiziellen Natura 2000-Gebietsbeschreibungen des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW):

Kennung

DE-4209-302
DE-4311-301
DE-4311-302
DE-4312-301
DE-4314-302

Fläche (ha)

2.415,85
127,63
103,78
117,64
1.122,14

Fläche (ha) innerhalb des Kreises Unna

72,48
127,63
103,78
31,76
269,31

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