Mühlenstrang

Schon mindestens seit dem 14. Jahrhundert thront das Haus Rutenborn hochwassersicher über seinen Grünland- und Ackerflächen in der Ruhraue zwischen dem Gänsewinkel in Schwerte und der Ortslage Geisecke, zwischen der Terrassenkante und dem Flusslauf.

Mutterkühe und Grünlandschutz - Die Ruhraue und der Mühlenstrang bei Haus Rutenborn

Was nach jahrhundertelanger Kontinuität erscheint, unterliegt bei näherem Hinsehen doch einem stetigen Wandel, zumindest was die unterhalb liegende Aue betrifft. „In den Villigster Kämpen“ werden die großen Grünlandflächen in der Ruhraue unterhalb Rutenborn in der preußischen Uraufnahme 1839/1840 genannt. Bis zum Beginn des letzten Jahrhunderts kann die Ruhr bei Hochwasser an die steile Terrassenkante heranfluten, sie ist unreguliert und verzweigt, die Ufer unverbaut. Mit dem Einzug der großmaßstäblichen Wasserwirtschaft in das Ruhrtal wird das anders. Die Ruhr wird reguliert, in den 1930er Jahren wird der Ruhrfeldgraben zunächst als Aneinanderreihung von Becken zur Wassergewinnung, dann bis in die 1970er Jahre mit einer künstlichen Bifurkation (Verzweigung) vom Mühlenstrang aus als Umfluter ausgebaut.

Gleichzeitig werden die Grünlandflächen nördlich des Grabens, das heutige NSG, teilweise umgebrochen, zurück bleiben einzelne Grünlandparzellen, die ehemaligen, tieferliegenden und wohl nicht ackerfähigen Flutrinnen verbuschen. Auch der Mühlenstrang bleibt nicht unverändert. Er entstand als Relikt einer der beiden Ruhrarme, welche bis 1719 durch die Aue flossen. Die Ruhr verlagerte in diesem Jahr nach einem Hochwasser ihren Hauptlauf nach Süden. Der verbliebene Arm wurde eingeengt, um wenigstens noch die Wassermühle in Schwerte betreiben zu können. Diesem „Mühlenstrang“ verdankt das heutige NSG seinen Namen. In den 1950er Jahren wurde der Lauf begradigt und das Profil eingetieft. Später wurde noch eine zusätzliche Verwallung zur Hochwassersicherung entlang des Mühlenstranges im heutigen NSG aufgeworfen. Etwa ab den 1950er Jahren fielen auch die beiden bis dahin beweideten und gemähten Feuchtsiepen am Gehrenbach und bei Haus Rutenborn brach.

1998 wurden die ausgedehnten Grünlandflächen des Ruhrtals beiderseits des namengebenden Mühlenstrangs zwischen Haus Rutenborn im Norden und dem Ruhrfeldgraben im Süden dann als Naturschutzgebiet Mühlenstrang ausgewiesen. Parzelle um Parzelle werden seitdem die als Acker genutzten Flächen im NSG in extensiv genutztes, auentypisches Grünland umgewandelt. Entlang des Mühlenstrangs wurde ein großes Flachgewässer angelegt, damit Tier- und Pflanzenarten einer dynamischen, naturnahen Flussaue wieder Lebensräume finden.

Seit der Unterschutzstellung 1998 konnte mit dem ansässigen Betrieb die extensive Weiterführung der schon existierenden Mutterkuhhaltung vereinbart werden. Diese Nutzungsform bietet die Chance, den Weidebetrieb auf den z. T. wieder eingesäten Grünlandflächen im NSG naturschutzgerecht zu gestalten. Eine deutlich verringerte Viehdichte und der Verzicht auf Pestizide und Düngung lassen seitdem großflächig artenreichere und magere Viehweiden nach dem historischen Vorbild entstehen. Knollen-Hahnenfuß, Kammgras und Gras-Sternmiere wandern wieder in die Weideflächen ein.

Der Mühlenstrang selbst wird nur maßvoll unterhalten und weist inzwischen wieder zahlreiche Wasserpflanzen sowie eine entsprechende Tierwelt auf: Bachberle, Wasserstern, Schwertlilie und Igelkolben wachsen im Gewässer, Prachtlibellen, Flussnapfschnecke, Gebirgsstelze und Teichhuhn sind hier zu Hause.

Am westlichen Gebietsrand entwickelt sich in den noch vorhandenen Rinnen eines alten Ruhrarmes aus standortfremden Anpflanzungen mit Pappeln und Fichten inzwischen ein artenreicher Auenwald mit Straußfarn und Blasen-Segge. Diese auwaldartigen Gebüsche werden von Grünspecht und Kleinspecht zur Brut genutzt, in den Hecken und auf den Gebüschweiden brüten Neuntöter und Rohrammer.

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