Ruhraue
Von der Quelle am Ruhrkopf bei Winterberg auf 674 m ü. NN bis zur Mündung in Duisburg am Rhein auf 17 m ü. NN verläuft die Ruhr auf 219 km am nördlichen Rand des Sauerlandes und des Bergischen Landes. Etwa 30 km des Flusslaufes liegen im Kreis Unna bzw. an der durch die Ruhr gebildeten südlichen Kreisgrenze. Die Ruhr umfasst ein Einzugsgebiet von 4485 km². Während Lauflänge und Einzugsgebiet von Ruhr und Lippe weitgehend übereinstimmen, charakterisiert und trennt der zu überwindende Höhenunterschied und das vorherrschende Sediment die beiden Flusssysteme: 657 m verliert die Ruhr von der Quelle bis zur Mündung und verläuft im Oberlauf durch das silikatreiche Rheinische Schiefergebirge. Sie ist damit als grobmaterialreicher Mittelgebirgsfluss anzusprechen, die für einen strömungsarmen Flachlandfluss wie die Lippe typischen weiten Mäander fehlen ihr.
Wandel durch Nutzung
Ebenso wie die Lippeaue hat auch die Ruhraue bereits lange Phasen von Umgestaltungen durch die sich wandelnden Nutzungsinteressen des Menschen erlebt. Flussbegradigung, Uferverbau, die Entwässerung der Aue zur Gewinnung von Acker- und Siedlungsland haben Überschwemmungsflächen, Auwälder und Feuchtgrünland weitestgehend verdrängt.
Führt die Lippe – inzwischen zum Vorteil des Naturschutzes – im Bereich der Bergbau- und Industrieregion eher ein funktionales Schattendasein und wird bzw. wurde vor allem als Kühlwasserlieferant und zur Entwässerung benötigt, so liegt die Ruhr seit etwa 100 Jahren im Fokus der Wasser- und Elektrizitätswirtschaft. Neben den Wasserwerken der anliegenden Kommunen sind im Kreis Unna auch die großen Nachbarstädte mit ihren Trinkwassergewinnungsanlagen vertreten. Die „Hammer“, „Gelsenkirchener“ und „Dortmunder“ Wasserwerke weisen noch heute auf das große Interesse des Ballungsraumes am unverzichtbaren Nass und auf die Funktionsteilung zwischen Wassergewinnung südlich des Haarstrangs und Abwasserbehandlung nördlich desselben hin. Die Einleitungen ungeklärter Industrie- und Siedlungsabwässer sind durch diese Funktionalisierung schon im frühen letzten Jahrhundert durch den Bau leistungsfähiger Kläranlagen beendet worden. Das Ruhrwasser erreicht heute überwiegend die Gewässergüteklasse II, das heißt, es ist mäßig belastet, in Teilbereichen sogar nur gering belastet.
Für die Ruhr als Mittelgebirgsfluss hatte der steigende Wasser- und Energiebedarf des Ruhrgebietes einschneidende Konsequenzen: Fast auf ganzer Länge liegt die Ruhr im Kreis Unna durch den Bau von Wehranlagen für die Elektrizitätserzeugung und die Wasserwirtschaft im Dauerstau mit nahezu gleichbleibender Wasserhöhe. Nur kurze Abschnitte unterhalb der sieben bzw. acht Stauwehre und Querbauwerke im Kreis sind von stärkeren Wasserstandschwankungen betroffen. Der Mittelgebirgsfluss ist damit seiner Dynamik fast vollständig beraubt, die Durchgängigkeit ging verloren. Hinzu kommt, dass das komplizierte und verantwortungsreiche System der Wassergewinnung, das mehr als 5 Millionen Menschen und die Industrie der Region zu versorgen hat, ein ausgeklügeltes Talsperrensystem hervorgebracht hat. Durch die kontrollierte Abgabe oder Zurückhaltung wird der jahreszeitliche Abflussgang der Ruhr nivelliert, Hochwasserspitzen werden abgefangen, Trockenheit ausgeglichen.
Als Folge dieser Wasserhaltung konnten größere Teile der trockenfallenden Aue ackerbaulich genutzt werden, Flutrinnen wurden eingeebnet, Grünland wurde umgebrochen. Die fehlende Kraft der Hochwässer und der Gewässerverbau – teils als Spundwand ausgeführt – führte zu einem weitgehend uniformen Einheitsprofil ohne die kennzeichnenden Strukturelemente eines Mittelgebirgsflusses wie Kiesinseln und Steilwände.
In der Ruhraue ist im Kreis Unna auch deshalb, anders als in der Lippeaue, nur ein kleiner, 2,1 ha großer Fließgewässerabschnitt in der äußersten Südostecke des Kreises als FFH-Gebiet ausgewiesen worden, weniger als 0,01 % der hiesigen Ruhrauenfläche.
Der Kreis Unna musste sich im Zuge der Landschaftsplanung darauf beschränken, die noch vorhandenen größeren Grünlandflächen außerhalb der Wassergewinnungsanlagen bzw. der Wasserschutzzone I als NSG zu sichern. 2023 hat der Kreisausschuss Unna aber einstimmig beschlossen, in einem Änderungsverfahren große Teile der bisher nicht geschützten Ruhraue als Naturschutzgebiet auszuweisen.
Unter Nutzung von Mitteln des Landesprogramms „Lebendige Gewässer“ hat die Bezirksregierung Arnsberg 2023/24 erste Schritte zur Renaturierungen der Ruhr im Kreis Unna unternommen. Im Naturschutzgebiet „Obergraben westlich Wickede“ ist die Ruhr erheblich verbreitert worden, Kiesbänke und Steilufer wurden geschaffen. Die Anlage einer Hochflutrinne wird neue Dynamik im Hochwasserfall entfalten.
Sechs Naturschutzgebiete liegen innerhalb des Kreises Unna in der Ruhraue, insgesamt mit einer Fläche von knapp 310 ha. Sechs Naturschutzgebiete – sechs verschiedene Landschaftsausschnitte, alle vereint durch ihre Lage in der Aue, unterschieden durch ihre Entstehungsgeschichte:
„Obergraben westlich Wickede“ (47 ha) mit dem größten freifließenden Ruhrabschnitt in unseren NSGs, ein Beispiel für einen grobmaterialreichen Mittelgebirgsfluss. Hier befindet sich auch der einzige (kleine) Bereich im Ruhrtal des Kreises Unna, der als Natura 2000/FFH-Gebiet ausgewiesen ist (s. unten).
„Kiebitzwiese“ (43 ha), teilweise unter Ruhrwasserniveau gelegen und inzwischen großflächig wiedervernässt.
„Bahnwald“ (formal 2 zusammenhängende, gleichnamige Gebiete in den Landschaftsplänen Holzwickede und Schwerte, 93,7 ha) als durch und durch menschengemachter Lebensraum mit dem größten (Ruhrstau-) See im Kreisgebiet.
„Mühlenstrang“ (55 ha) als wieder zu entwickelnder Grünlandlebensraum mit einer der letzten großflächigen Viehweiden im Ruhrtal.
„In der Lake“ (45 ha), weite Wiesen und Weiden direkt am Ruhrufer und
„Alter Ruhrgraben“ (30 ha) mit seinen vielfältigen Feucht- und Nasslebensräumen an der Terrassenkante der Ruhr.
Nachfolgend die Daten des Natura 2000/FFH-Gebiets Ruhr inklusive Verlinkung zu der offiziellen Natura 2000-Gebietsbeschreibung des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW):